„Weil Gott mehr Humor hat als wir Menschen…“

Bericht über eine Schüleraustauschreise nach Israel im März 2015

Unsere zehntägige Israelfahrt wollten wir nutzen, um das Land und die Menschen besser kennenzulernen. Die ersten fünf Tage waren wir als Gruppe allein in Jerusalem, während wir anschließend in unseren israelischen Gastfamilien wohnten und deren Alltag erlebten.

So versammelten wir uns am Donnerstag, den 05.03.15 um 5:30 Uhr am Flughafen Berlin-Schönefeld, um unseren Flieger nach Tel Aviv zu erwischen. Starteten wir hier noch bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt und einer dichten, grauen Wolkendecke, empfing uns Israel mit strahlendem Sonnenschein und sympathischen 25°C. Kaum hatte man sich an das schöne Wetter gewöhnt, ging es mit dem Bus weiter zu unserem Jerusalemer Hotel in der Neustadt.

 

Der Freitag galt erst einmal dem Erkunden der Altstadt. Zunächst folgten wir der Via Dolorosa zur Grabeskirche, danach durften wir uns selbstständig durch die Basare bewegen und handeln – dabei hatten manche Glück und andere etwas weniger.
Im Laufe der sechs Tage schauten wir uns Jerusalem bei einem Spaziergang auf der Stadtmauer von oben an, liefen auf den Ölberg, besichtigten den Garten Gethsemane und steckten selbst geschriebene Zettel mit Wünschen in die Klagemauer.
Am Sonntag besuchten wir den deutschen Gottesdienst in der Erlösergemeinde. Für uns alle war es neu, das Abendmahl mit Pita-Brot einzunehmen. Als der Pfarrer am Ende den Segen sprach, wurde er vom Gebet des Muezzins aus der Moschee gegenüber übertönt. Das gibt es nur in Jerusalem zu erleben.

 

Besonders ergreifend war der Besuch von YadVashem. Wer sich zuvor noch nicht mit der Judenverfolgung während des zweiten Weltkrieges beschäftigt hatte, wurde nun schonungslos mit den grausamen Geschehen konfrontiert. Spätestens ein Film von britischen Truppen, der zeigte, wie diese die Überreste, die abgemagerten Leichen, eines Konzentrationslagers vorfanden, ließ bei vielen Leuten die Tränen fließen.

Auch das Denkmal für die Kinder hinterließ einen starken Eindruck. Dieses besteht aus einem Raum, der mit einer Vielzahl von Spiegeln ausgekleidet ist. In der Mitte des Raumes steht eine einzige Kerze, die durch die Spiegel unzählige Male reflektiert wird. Dazu liest eine Stimme die Namen der in Konzentrationslagern ermordeten Kinder vor.

Ebenso prägend, aber weniger ergreifend, war die Wanderung auf die Festung Masada in der Wüste: Eine Stunde lang Treppen steigen. In der prallen Sonne, bei über 30 Grad. Aber für die Aussicht hat sich die Tortur gelohnt.
Eines unserer persönlichen Highlights war das Baden im Toten Meer. Was man aus Erzählungen und von Fotos bereits kannte, durfte nun selbst ausprobiert werden. Das Gefühl war überwältigend, als würde man schweben.

Was uns jedoch eigentlich nach Israel führte war neben den Sehenswürdigkeiten und der religiösen Bedeutung der Konflikt zwischen Israel und Palästina. So machten wir uns auf die Suche nach Meinungen, die uns unser eigenes Bild der Situation zeichnen ließen.

Angefangen haben wir in der christlich-muslimischen Schule „TalithaKumi“ in BetJala (Westbank). Dort sprachen wir mit einigen Schülern, die uns die Probleme der palästinensischen Bevölkerung näherbrachten. In der Westbank gibt es drei verschiedene Zonen (A, B, C). Während Zone A von Palästina verwaltet wird, steht Zone C unter israelischer Kontrolle (die Zone B wird geteilt). Dort haben palästinensische Bürger so gut wie keine Rechte. Dies erleben die Schüler tagtäglich. Es beginnt bei den Passkontrollen an der Mauer zwischen Israel und der Westbank, da es Palästinensern untersagt ist, Israel zu betreten, geht über willkürliche Durchsuchungen von Muslimen durch das israelische Militär bis zur Besetzung von Häusern durch selbige Soldaten, die den Hauseigentümern bloß zwei Zimmer zum Leben überlassen. Begonnen hatte der Konflikt durch eine territoriale Frage, jetzt hat er längst auf die Religionen übergegriffen, sodass Juden Steine auf muslimische Autos werfen und andersherum.
Schockierend für uns war auch der Fakt, dass Israel die Wasserzufuhr in der Westbank kontrolliert; teilweise bekommen die Palästinenser in einem Sommermonat nur drei Tage fließendes Wasser, weshalb sie es in Tanks auf ihren Dächern sammeln müssen.

Auf Verständnis der misslichen Situation in Palästina sind wir auf israelischer Seite vorerst nicht gestoßen.

Eine sehr radikale Meinung vertrat unsere Führerin auf der Festung Massada. Erklärte sie uns auf der Hinfahrt noch, wo arabische und wo jüdische Siedlungen zu sehen waren, bestritt sie auf dem Rückweg, dass Israel auf palästinensischen Gebieten irgendwelche Häuser, geschweige denn Siedlungen, baue. Sie versuchte uns zu erklären „Israel macht doch gar nichts!“.
Auffällig war auch der Verweis, den mehrere Leute anführten, auf Syrien und den IS, dass andere Länder viel größere Probleme hätten und man nicht auf Israel schauen müsse.

Dies wurde durch eine Präsentation an der Mosenson High School in HodHasharon (in der Nähe von Tel Aviv), die unsere Austauschschüler besuchten, bei denen wir die restlichen vier Nächte verbrachten, bestätigt.
Ein Lehrer erzählte uns, dass es überall auf der Welt Mauern gäbe, doch nur diese israelische kritisiert werde, obwohl sie nur Friedenszwecken dient.
Hier mussten wir erfahren, dass bereits Kinder so erzogen werden, dass sie eine klare Stellung für ihr Land einnehmen.
Auch wenn viele der Schüler den Konflikt für unsinnig halten, antworteten doch viele auf die Frage nach der Wehrpflicht, dass sie gerne zur Armee gingen, um für ihr Land zu kämpfen.

Ein weiterer interessanter Gesprächspartner auf unserer Reise war Pfarrer Vahrenhorstaus der Jerusalemer Erlösergemeinde. Er lebt seit 5 Jahren in Israel und ist inzwischen mit einer Jüdin verheiratet. Gefragt nach dem Zusammenleben in Jerusalem, antwortete er, dass „ja nun alle Religionen die Toleranz nicht erfunden hätten. Das es trotzdem irgendwie funktioniert, liegt wohl daran, dass Gott mehr Humor hat als wir Menschen“. Mir hat die Aussage sehr gefallen, haben doch viele Menschen, die schon länger in Israel leben und viele Versuche eines friedlichen Miteinander versucht haben, inzwischen die Hoffnung schon aufgegeben. Man lebt so nebenher, nicht miteinander.

Unabhängig davon, welche eigene Meinung wir nach diesen vielen Eindrücken nun vertreten, haben uns die verschiedenen Ansichten vor allen Dingen eines gelehrt: Dass es immer besser ist, sich selbst ein Bild zu machen, bevor man irgendwelchen Medien glaubt.

Abgesehen davon haben wir die Israelis als sehr aufgeschlossene, kontaktfreudige und außerordentlich gastfreundliche Menschen kennengelernt, die sich sehr viel Mühe gemacht haben, unsere Reise noch schöner zu gestalten. So organisierten unsere Austauschschüler beispielsweise selbstständig einen Bus, um mit uns an den Strand von Tel Aviv zu fahren.
Allerdings sind die Israelis auch sehr gelassen, was uns mit unserer deutschen Disziplin und Pünktlichkeit oft den Kopf schütteln ließ. Wenn es z.B. hieß, man solle um 8:00 Uhr in der Schule sein, so war es nicht unüblich, dass man um diese Zeit erst von zu Hause aus loslief und man zwanzig Minuten zu spät kam – was aber niemanden wirklich störte.

Eines der schönsten Erlebnisse war die Abreise. Nicht, weil wir unbedingt wieder zurück nach Deutschland wollten, im Gegenteil. Sondern weil der Abschied ein starkes Zeichen der deutsch-israelischen Verbundenheit war/ist.
Als es für uns an der Zeit war, in den Bus zu steigen, konnte sich niemand von uns dazu entschließen, den entscheidenden Schritt über die Schwelle des Busses zu setzen. Jeder umarmte jeden, auch mehrmals, um bloß nicht wegfahren zu müssen – sogar Tränen wurden vergossen. Letztendlich hatten unsere Lehrer Mühe damit, jeden Einzelnen in den Bus zu zerren und aufzupassen, dass niemand entwischt. Doch schließlich war das Wunder vollbracht, alle Deutschen saßen im Bus.
So leicht wurden wir jedoch nicht gehen gelassen. Kurzerhand stellten sich unsere Austauschschüler in einer Kette vor dem Bus auf, sodass diesem den Weg versperrt wurde.

Letztendlich mussten wir allerdings doch abfahren, da wir pünktlich am Flughafen sein mussten.
Der Rückflug war das genaue Pendant zum Hinflug: Raus aus der Sonne, auf Wiedersehen Palmen. - Hallo Regen und eisige sieben Grad.

So groß die Trauer auch war, die vielen schönen, neuen Eindrücke überwogen. Alles Erlebte, die neu gewonnenen Freunde. Und auch wenn wir Israel nun, geografisch gesehen, hinter uns gelassen haben, so wird es doch immer ein sonniger Fleck in unseren Erinnerungen sein.

Wir danken der F.C. Flick Stiftung, Harold-Bob-Stiftung sowie der Axel-Springer-Stiftung, die diese Reise finanziell unterstützt und damit ermöglicht haben.

Schülerin Johanna K. und Lehrer H. Tischer

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